„Guter Sex ist wichtig“
Was machen glückliche Paare richtig? Was genau lässt Paare scheitern? Die amerikanische Forscherin und Paarberaterin Terri Orbuch hat über 25 Jahre hinweg Paare begleitet und weiß, worauf es in Beziehungen ankommt.
Sie haben im Laufe von 25 Jahren in Ihrer Studie The early years of marriage viele Daten über Beziehungen sammeln können. Welches Ergebnis hat Sie dabei am meisten überrascht?
Die glücklichen Paare in unserer Studie sagen, dass sie sich sofort mit den kleinen Störungen in der Partnerschaft auseinandersetzten, die sie beschäftigen. Das sind Dinge wie: „Er stellt das Geschirr nicht in die Spülmaschine“, „Sie verteilt ihre Sachen im Haus und räumt nicht auf“, oder „Er isst mit offenem Mund“. Im Gegensatz dazu ignorieren die weniger glücklichen Paare diese kleinen Irritationen, bis sie größer und größer werden.
Was haben Sie noch über glückliche Paare herausgefunden?
Sie konzentrieren sich ganz bewusst auf die positiven Dinge in ihrer Beziehung. Was gefällt mir an meinem Partner? Welche positiven Aspekte kann ich in meine Beziehung bringen? Auch wenn sich nur einer der beiden Partner auf die positiven Aspekte konzentriert, überträgt sich diese Einstellung auf den Partner. Mit dieser Ausgangsposition ist es dann wesentlich leichter, sich der kleinen störenden Dinge anzunehmen und sie nicht zu großen Problemen werden zu lassen.
Das traditionelle Beziehungsgespräch, so wie es Frauen gerne führen, bekommt von Ihnen eher schlechte Noten.
Das ist richtig. Wir haben herausgefunden, dass die Häufigkeit mit der diese typischen Beziehungsgespräche geführt werden, ein Indikator für Scheidung sein kann.
Das klingt dramatisch.
Das ist es wohl auch. Frauen sprechen generell sehr gerne über Beziehungen, das empfinden sie als befriedigend. Dabei stellen sie Fragen wie: Wie geht es uns? Wohin entwickelt sich unsere Beziehung? Wie glücklich bist du in unserer Beziehung und wie glücklich bin ich in unserer Beziehung? – Wie ich herausgefunden habe, fühlen sich Frauen nach solchen Beziehungsgesprächen besser, Männer aber nicht. Sie mögen in der Regel keine Beziehungsgespräche, ja sie fürchten sich meist sogar vor ihnen. Sobald sie das Wort „Beziehungsgespräch“ hören bekommen sie das Gefühl, dass es ein Problem gibt und dass es ihre Aufgabe ist, es zu beheben. Beziehungsgespräche lösen in ihnen eine Spannung aus.
Viele Paare lassen sich innerhalb der ersten drei bis fünf Jahre wieder scheiden. Was bereitet jungen Paaren am Anfang so viele Schwierigkeiten zusammen zu bleiben?
Viele junge Leute haben unrealistische Erwartungen über Beziehungen und davon, wie sie von ihrem Partner behandelt werden sollten. Dadurch werden sie frustriert. Da diese Vorstellungen darüber hinaus dem Partner gegenüber nicht geäußert werden, steigt die Frustration und Enttäuschung noch mehr an. Diese Vorstellungen sind weltweit zu finden und auch in unterschiedlichen Kulturen.
Welche Erwartungen meinen Sie?
Zum Beispiel die Erwartung, dass eine Beziehung ohne Konflikte eine bessere Beziehung ist. Diese Ansicht ist einfach falsch. Konflikte gibt es in jeder Beziehung, die Frage ist aber, wie mit diesen Konflikten umgegangen wird. Die Art und Weise des Umgangs mit Problemen und nicht das Vorhandensein von ihnen unterscheidet eine glückliche von einer unglücklichen Beziehung. In meiner Studie sind Paare, die keine Konflikte miteinander haben, einige Jahre später mit einer höheren Wahrscheinlichkeit getrennt, als Paare, die Konflikte haben. Daran sieht man ganz klar, dass dieser Wunsch nach Harmonie ausgesprochen gefährlich sein kann.
Ihr Kollege John Gottman sagt etwas salopp: Von sich aus wird jede Ehe schlecht. Teilen Sie diese Ansicht?
Ja. Wir müssen etwas zum Erhalt unserer Partnerschaft tun – und genau das unterbleibt in jungen Ehen oft. Der Alltag fordert viel von uns: Beide Partner gehen arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie haben eventuell Verantwortungen ihren Herkunftsfamilien gegenüber. Gleichzeitig sind da noch Hobbys, Freunde mit denen man ausgehen will, man will sich gesund ernähren, und die ehrenamtliche Arbeit im Sportverein soll weiterhin gemacht werden. Und dann bekommt das Paar auch noch Kinder. Viele Paare lassen dann ihre Beziehung nur noch auf Sparflamme laufen. Sie denken: Es ist gerade so stressig – um meine Beziehung kümmere ich mich wieder, wenn ich mehr Zeit und Ruhe habe. Aber der Stress lässt oft nicht nach, er bleibt. Wenn die Beziehung dann über lange Zeit vernachlässigt wird, verschwindet die Liebe irgendwann, und es kann zu spät sein, daran noch etwas zu ändern.
Inwiefern sind Frauen und Männer unterschiedlich, wenn es zum Beispiel um Emotionen und Sexualität geht?
Unsere Langzeitstudie kommt zu dem Ergebnis, dass der Zusammenhang zwischen sexuellem Verlangen und Nähe für Frauen und Männer oft sehr unterschiedlich ist. Frauen müssen sich ihrem Partner emotional nahe fühlen, damit sie sexuelles Verlangen verspüren. Männer auf der anderen Seite haben Sex, um sich gefühlsmäßig mehr mit ihrer Frau zu verbinden, und sie brauchen diese Verbindung, um sich ihr emotional nahe zu fühlen. Dadurch ist der Zusammenhang von gefühlsmäßiger Nähe und Sexualität sehr unterschiedlich, und Frauen und Männer sollten sich diesen Unterschied vor Augen führen.
Wie wichtig ist Sexualität generell für eine glückliche Beziehung?
Sehr wichtig. Fünfundsiebzig Prozent der glücklichen Paare in meiner Studie sagen, dass sie mit der Sexualität in ihrer Beziehung zufrieden sind. Und das obwohl die Häufigkeit von Sexualität mit der Zeit abnimmt. Häufig wird diese Veränderungen negativ gesehen. Aber warum eigentlich? Immerhin drei Viertel der glücklichen Paare sagen, dass sie glücklich mit der Sexualität sind und dass der Sex genauso gut ist wie am Anfang der Beziehung – wenn nicht sogar besser.
Sie betonen immer wieder die Bedeutung von verbaler Unterstützung in Beziehungen.
Sowohl Männer als auch Frauen brauchen von ihrem Partner Rückhalt, um in ihrer Ehe glücklich und zufrieden zu sein. Das bedeutet, dass die Partner aufeinander achtgeben, sich gegenseitig wertschätzen und sagen, was sie am anderen mögen. Auch bei diesem Punkt gibt es wieder einen deutlichen Unterschied zwischen den Geschlechtern. Männer sind viel mehr auf diese Anerkennung von ihrer Partnerin angewiesen und sehnen sich danach, als ihre Frauen. Wenn Männer diesen Zuspruch von ihren Frauen nicht bekommen, sind sie unzufriedener in ihrer Ehe als diejenigen, die regelmäßig Anerkennung von ihren Partnerinnen erhalten.
Wie lässt sich das erklären, dass die angeblich so starken Männer mehr affektiven Rückhalt brauchen als Frauen?
Wir haben untersucht, wer von den beiden wie viel gefühlsmäßigen Rückhalt im täglichen Leben bekommt. Dabei fiel auf, dass Frauen viel mehr Personen um sich herum haben, die ihnen nahe stehen, und eine höhere Anzahl von Personen ihnen täglich Anerkennung gibt. Männer haben meistens nur ihre Partnerin als diejenige Person die ihnen am nächsten steht, die sie an sich heranlassen und die sie deshalb wirklich unterstützen kann. Dadurch hält eine Frau den entscheidenden Schlüssel in der Hand, wenn es darum geht ihrem Mann affektiven Rückhalt zu geben. Es geht dabei um kleine Worte und Gesten der Anerkennung und Aufmerksamkeit: Sie hat sein Lieblingsdessert gemacht, ihm für das Ausräumen der Spülmaschine gedankt oder gesagt, dass sie ihn liebt, ihm etwas im Laden gekauft, was er sich gewünscht hat, oder ihm eine Karte oder Email geschickt. Das sind kleine Dinge, die jedoch dazu führen, dass sich das Gegenüber wertgeschätzt fühlt und glücklich wird.
Sie sind neben Ihrer Tätigkeit als Wissenschaftlerin auch Paarberaterin. Wenn Sie Männern nur einen einzigen Tipp für die Verbesserung oder den Erhalt ihre Beziehungen geben könnten, welcher wäre das?
Männern möchte ich zwei Tipps geben. Erstens ist es sehr wichtig, dass sie im Haushalt und bei der Erziehung der Kinder mithelfen. Frauen brauchen das Gefühl, dass sie von ihrem Partner unterstützt werden, dass sie sich als Paar wie in einem Team gemeinsam um diese Dinge kümmern. Das hat wirklich immense Auswirkungen auf ihre Zufriedenheit in einer Partnerschaft. Und zweitens sollten die Männer ihren Frauen einmal am Tag eine Frage nach deren Wohlergehen stellen. Sie sollten sich dafür interessieren, wie es ihnen geht. Frauen lieben es, wenn sie das Gefühl haben, dass ihr Partner ihnen seine Aufmerksamkeit schenkt.
Wie lautet Ihr Tipp für Frauen?
Für Frauen habe ich einen einzigen Tipp. Er lautet: ein Wort, eine Geste oder Handlung der positiven Bewertung und Unterstützung pro Tag für den Partner. Als verbale Aussage kann das etwas sein wie „Danke dafür, dass Du die Kinder abgeholt hast“, „Lass uns am Samstag doch einmal zusammen ausgehen“, oder „Du machst mein Leben wirklich interessant und lebenswert, ich liebe Dich“. Oder aber eine kleine Geste die ihm zeigt, dass sie ihn wahrnimmt.
Das ist schon alles? Das hört sich wirklich sehr einfach an.
Und das ist es auch! Es geht nicht um große Diamantgeschenke oder riesengroße Handlungen, sondern um kleine Dinge, die Glück, Zufriedenheit und Stabilität in einer Partnerschaft beeinflussen.
Mit Terri Orbuch sprachen Dana Rittich und Christian Thiel
Terri Orbuch leitet an der Universita of Michigan seit 25 Jahren eine der größten Partnerschaftsstudien der Welt. Die Soziologieprofessorin und Psychologin arbeitet auch als Paarberaterin und ist in den USA landesweit als The Love Doctor bekannt. Ihr Buch 5 simple Stepps to Take Your Marriage from Good to Great ist 2011 auf deutsch unter dem Titel Die 5 Geheimnisse glücklicher Paare im Goldmann Verlag, München, erschienen.
Website: www.drterrithelovedoctor.com